„Syn-“ von Jochen Roller und Friederike Lampert

Nummernrevue in monotonem Gleichschritt

Jochen Roller und Friederike Lampert kreieren „Syn-“ für das Nationalballett Kosovo

Es klang so vielversprechend: Moderne Performer treffen auf eine Kompanie, die sich nach dem Balkankrieg neu aufgebaut hat. Doch die beiden verpassen den 13 Tänzer*innen ein viel zu enges Korsett, sodass sich ihr Potenzial kaum entfalten kann.

Hamburg, 01/05/2018

Es klang so vielversprechend: Jochen Roller und Friederike Lampert erarbeiteten eine Choreografie für das Nationalballett Kosovo – moderne Performer treffen auf eine Kompanie, die sich 2001 nach dem Balkankrieg und der Auflösung des Ensembles durch die serbischen Behörden unter dem jetzigen Ballettdirektor Ahmet Brahimaj wieder neu gegründet und aufgebaut hat. Heraus kam allerdings eine einstündige, eher ermüdende Nummernrevue aus aneinandergereihten Exercices, die dem Potenzial des Ensembles nur sehr bedingt gerecht wurde, und nun auf Kampnagel Hamburg ihre Premiere hatte. Deutlich erkennbar war zwar die fundierte klassische Ausbildung dieser 13 Männer und Frauen, aber dabei blieb es dann auch. Jochen Roller und Friedrike Lampert hatten die Grenzen, in denen sich die Truppe bewegen durfte, viel zu eng gesetz;, da war kein Raum für Experimentelles oder gar Kreatives. Alles erscheint monoton auf Gleichschritt getrimmt.

Das einzig „Revolutionäre“ in „Syn-“ ist die Musik, denn getanzt wurde nicht – wie bei Exercices üblich – zu klassischer Klaviermusik, sondern zu markerschütternd wummernder House-Musik aus der Clubszene von Pristina, die so durchaus auch in anderen Städten zuhause ist. Wegen der überdimensionierten Lautstärke wurden eingangs Gehörschutzstöpsel verteilt, die jedoch bei den bis zum Anschlag aufgedrehten Bässen völlig nutzlos waren – die fuhren mehr in die Magengrube als ins Gehör. Präsentiert wurde die Musik von einer in ein goldglitzerndes Ganzkörpertrikot gehüllten DJane, die im Hintergrund wie eine Domina auf Knopfdruck ihres MacBook die „Puppen“ tanzen ließ.

Schon der Anfang eine Reminiszenz an die Klassik: Wie beim Schattenakt in „La Bayadère“ schreiten die 13 in rote, orange- und pinkfarbene Schleier gehüllten Tänzerinnen und Tänzer langsam aus den dunklen Gassen diagonal über die Bühne und verschwinden auf der Gegenseite wieder. Danach folgen klassische Exercices, teilweise eröffnet von einer statischen Pose, mit jeweils kurzen Pausen zwischen den einzelnen Nummern: Port de bras in verschiedenen Varianten, mal einzeln, mal in der Reihe; Piqué-Drehungen diagonal und im Kreis – en dehors und en dedans; Fouettés im Raum; Coupé-jeté en tournant en manège; Sauté arabesque … usw. usw. Zum Schluss dann mehr und mehr Sprungkombinationen quer durch den Raum – mal mit, mal ohne Bühnennebel. Und das war’s.

Da fragt man sich schon, wie man dazu kommt, im Programmzettel zu schreiben, dass die Choreografie „die ästhetischen und gesellschaftlichen Konstruktionen des klassischen Balletts hinterfragt“, oder dass „Syn-“ „eine Momentaufnahme ist, die den Esprit der jüngsten Nation Europas abbildet, der jenseits von in den westlichen Medien präsenten Bildern von Krieg, Trauma und Zerstörung existiert“. Die klassischen Tanz-Formationen geben zweifellos immer wieder recht schöne Bilder ab, aber hinterfragt wird da herzlich wenig. Und wenn das, was da in Reih und Glied aufgefädelt wird, tatsächlich der „Esprit der jüngsten Nation Europas“ sein sollte, dann wäre es um die Menschen dort schlecht bestellt. Es ist doch anzunehmen und zu hoffen, dass auch im Kosovo mehr Kreativität und Phantasie vorhanden sind, als es dieses Tanzstück zu spiegeln meint.

 

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